Carmina Burana

Carmina Burana
Cạrmina Burana,
 
die mit etwa 250 Texten umfangreichste und bedeutendste Sammlung vorwiegend weltlich lateinischer Lieder des Mittelalters, erhalten in einer heute unvollständigen Handschrift der Bayerischen Staatsbibliothek in München (clm 4 660, dazu das Fragment 4 660 a) aus dem 13. Jahrhundert, die sich bis 1803 im Kloster Benediktbeuern befand (daher der Name »Carmina Burana«).
 
Das Liederbuch ist nach einem für zeitgenössischen Gedichtsammlungen einzigartigen Konzept angelegt: Drei Großgruppen mit moralisch-satirischen Dichtungen (CB 1-55), Liebesliedern (CB 56-186), Trink- und Spielliedern (CB 187-226) heben sich ab; jede ist in sich gegliedert nach Themen, z. B. Abkehr von der Welt (CB 24-31), Zechen und Würfelspiel (CB 195-207), nach der Form, z. B. Sequenzen und Leiche (CB 56-73), oder durch metrisches »Versus«, die eine Liedgruppe passend beschließen; am Ende folgt eine vierte Großgruppe von 6 geistlichen Spielen, darunter ein Weihnachtsspiel (CB 227) und das Benediktbeurer Passionsspiel (CB 16*), zum Teil mit zeitgenössischen Stücken nachgetragen. Der Anfang der Sammlung ist verloren gegangen, ihre Abfolge durch Neubinden teilweise gestört.
 
Metrisch-rhythmische und inhaltliche Vielfalt zeichnen die Sammlung aus; etwa drei Fünftel der Stücke sind ausschließlich in den Carmina Burana überliefert, wenn auch der Text oft verderbt ist oder durch mündliche Tradition umgestaltet wurde. Das gilt besonders für die 47 mittelhochdeutschen Strophen meist weltlichen Inhalts, die sich formal ähnlichen lateinischen Liedern anschließen und deutlich Spuren des Vortrags zeigen. Abgesehen vom Marner und von Walter von Châtillon wird kein Autor genannt; doch stammen die Dichtungen im ersten Teil überwiegend aus dem Westen, verfasst u. a. von Hugo von Orléans, Petrus von Blois, Philipp dem Kanzler, die im zweiten Teil aus dem deutschen Sprachgebiet, z. B. Strophen von Reinmar dem Alten und Walther von der Vogelweide. Zu den Trinkliedern gehört die »Vagantenbeichte« des Archipoeta.
 
Einem Teil der Texte (etwa 54) und vier der geistlichen Spiele wurde eine linienlose Neumierung (Neumen) beigegeben, für weitere Stücke war sie vorgesehen. Die Melodien der neumierten Stücke konnten teilweise aus anderen Quellen erschlossen werden, ebenso einige der nicht neumierten Lieder, sodass heute etwa 50 Melodien bekannt sind.
 
Die Liederhandschrift, im südbairischen Sprachgebiet wohl um 1230 von zwei Hauptschreibern nach Plan ausgeführt, mit Initialen und acht Miniaturen ausgeschmückt, dann um Nachträge erweitert, spiegelt eindrucksvoll das weit reichende literarische Interesse der Augustinerchorherren und das Lebensgefühl der Stauferzeit; ihr Auftraggeber war wahrscheinlich ein hoch gestellter Geistlicher.
 
Einige der Texte (aus Teil 1-3) verwendete C. Orff für seine szenischen Kantate »Carmina Burana« (erster Teil seines Triptychons »Trionfi«); Uraufführung 8. 6. 1937 in Frankfurt am Main.
 
Ausgaben: Carmina Burana, herausgegeben von A. Hilka und O. Schumann, 2 Bände in 4 Teilen (1-21961-78); Carmina Burana, Faksimile-Ausgabe, herausgegeben von B. Bischoff (Neuausgabe 1970); Carmina Burana. Texte und Übersetzungen, herausgegeben von B. K. Vollmann (1987).

Universal-Lexikon. 2012.

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